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Tarif Löhne Ost West Ungleichgewicht Wasserwaage

: Beschäftigte im Osten verdienen bei gleicher Qualifikation 14 Prozent weniger als im Westen

Eine Auswertung zum Tag der Deutschen Einheit hat gezeigt: Je nach Beruf kann die Gehaltslücke für Vollzeitbeschäftige monatlich bis zu 1.000 Euro brutto betragen. Die Mindestlohnerhöhung bringt Annäherung im unteren Entgeltbereich.

Auch mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung verdienen Beschäftigte in Ostdeutschland noch deutlich weniger als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den alten Bundesländern. Insgesamt beträgt der Abstand 13,7 Prozent, wenn man Beschäftigte gleichen Geschlechts, im gleichen Beruf und mit vergleichbarer Berufserfahrung miteinander vergleicht (siehe Abbildung 1; mehr Informationen zur Methode unten). Je nach Beruf kann die Gehaltslücke für Vollzeitbeschäftige monatlich bis zu 1.000 Euro brutto betragen.

Die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro zum 1. Oktober 2022 führt vor allem im unteren Entgeltbereich zu einer Annäherung der Verdienste, da in Ostdeutschland ein höherer Anteil der Beschäftigten von der Mindestlohnerhöhung profitiert.* Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Entgelten oberhalb des Mindestlohns ist hingegen oft entscheidend, ob der Arbeitgeber nach Tarifvertrag bezahlt. „Ostdeutsche Betriebe sind deutlich seltener an einen Tarifvertrag gebunden, als dies im Westen der Fall ist“, sagt Dr. Malte Lübker, WSI-Experte für Tarif- und Einkommensanalysen. „Der Weg zu fairen Löhnen für alle ostdeutschen Beschäftigten führt deshalb über eine Stärkung der Tarifbindung.“ Nach Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) lag die Tarifbindung der Beschäftigten im Jahr 2021 in Ostdeutschland nur noch bei 45 Prozent, verglichen mit 54 Prozent im Westen.


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Besonders deutliche Gehaltsunterschiede gibt es in vielen technischen Berufen. In Ostdeutschland liegt nach Berechnungen auf Basis der WSI-Lohnspiegel-Datenbank beispielsweise der typische Verdienst als Maschinenbautechniker*in mit 10 Jahren Berufserfahrung bei 3.480 Euro, verglichen mit 4.170 Euro im Westen. Bei Maschinenbauingenieur*innen beträgt der Unterschied sogar 1.030 Euro im Monat. „Den Beschäftigten in der westdeutschen Metall- und Elektroindustrie kommt dabei zugute, dass die Tarifbindung hier noch relativ hoch ist“, erläutert WSI-Experte Lübker. Für das verarbeitende Gewerbe insgesamt weist das IAB aktuell eine Tarifbindung von 58 Prozent (West) bzw. 43 Prozent (Ost) aus. „Fehlende Tarifverträge und niedrige Löhne sind aber auch im Westen in vielen Branchen zum Problem geworden“, so Lübker weiter. So gelten beispielsweise im Einzelhandel nach Angaben des IAB nur noch für 28 Prozent (West) bzw. 21 Prozent (Ost) der Beschäftigten Tarifverträge. In Berufen wie Verkäufer*in im Einzelhandel geht dies mit sowohl in Westdeutschland (2.220 Euro) als auch in Ostdeutschland (2.100 Euro) vergleichsweise geringen Monatsverdiensten einher.

Auch zwischen den ostdeutschen Ländern gibt es ein merkliches Gefälle bei den Löhnen insgesamt. In Brandenburg ist, auch aufgrund des prosperierenden Berliner Umlandes, der Rückstand gegenüber dem Westen mit 10,6 Prozent am geringsten. In Mecklenburg-Vorpommern beträgt das Minus 13,1 Prozent. Im Mittelfeld liegen Sachsen-Anhalt (13,9 Prozent) und Thüringen (14,0 Prozent). Schusslicht ist der Freistaat Sachsen: Hier liegen die Verdienste der Befragten um 14,8 Prozent unter dem Niveau für vergleichbare Tätigkeiten im Westen. In Berlin, das sich aufgrund seiner Sonderstellung nicht eindeutig zuordnen lässt, beträgt der Rückstand zum Westen 2,7 Prozent.

Im Unterschied zu den tatsächlich gezahlten Gehältern gibt es bei den Tariflöhnen inzwischen keine wesentlichen Ost-West-Unterschiede mehr. So lag das tarifliche Entgeltniveau in Ostdeutschland im Jahr 2021 bei 98 Prozent des Westenniveaus, verglichen mit 60 Prozent im Jahr 1991.

„Die weitgehende Angleichung der Tariflöhne ist ein Erfolg der Gewerkschaften – und ein oft unterschätzter Beitrag zur Herstellung von gleichwertigen Lebensverhältnissen in Ost und West“, sagt WSI-Experte Lübker. Bei der wöchentlichen Arbeitszeit und bei Sonderzahlungen ist eine Anpassung an die in Westdeutschland üblichen Regelungen in einigen Branchen allerdings bisher am Widerstand der Arbeitgeber gescheitert.

Informationen zur Methode

Die Gehaltsunterschiede beziehen sich auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Ost und West, die sich hinsichtlich wichtiger Eigenschaften nicht voneinander unterscheiden. Neben dem ausgeübten Beruf wurden Lohnunterschiede statistisch kontrolliert, die mit Faktoren wie der Berufserfahrung, dem Geschlecht, der Größe des Betriebes oder einer innerbetrieblichen Leitungsfunktion zusammenhängen. „Wir vergleichen in unserer Analyse also gleich mit gleich – Menschen, die im gleichen Beruf tätig sind und auch sonst ähnliche Merkmale haben“, sagt Dr. Malte Lübker. „Die verbleibenden Gehaltsunterschiede lassen sich deshalb beispielsweise nicht damit erklären, dass in Ingolstadt oder Stuttgart mehr Ingenieurinnen und Ingenieure arbeiten als in der Niederlausitz.“

Einen detaillierten, auf ihre individuellen Merkmale zugeschnittenen Gehaltsvergleich können Beschäftigte für über 500 Berufen mit Hilfe des Lohn- und Gehaltschecks auf Lohnspiegel.de machen. Um zu einem aussagekräftigen Vergleich zu kommen, werden hierfür zunächst eine Reihe von Fragen zur eigenen beruflichen Situation gestellt. Die Daten des Portals Lohnspiegel.de beruhen auf einer kontinuierlichen Online-Umfrage unter Erwerbstätigen in Deutschland. Für die Analyse wurden 188.191 Datensätze berücksichtigt, die von Januar 2020 bis August 2022 erhoben wurden. Die Umfrage ist nicht repräsentativ, erlaubt aber aufgrund der hohen Fallzahlen detaillierte Einblicke in die tatsächlich gezahlten Entgelte. Alle Angaben beziehen sich auf die monatlichen Bruttoverdienste für Vollzeitäquivalente mit 38 Wochenstunden, sodass Unterschiede in der Arbeitszeit nicht zum Tragen kommen. Nicht berücksichtigt wurden Sonderzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachts­geld. Der Lohnspiegel ist ein nicht-kommerzielles Angebot der Hans-Böckler-Stiftung.